Eigentlich war für diesen Tag eine Führung in den Zillertaler Alpen geplant. Aufgrund einer Absage nützten wir die Möglichkeit, ohne Führungsauftrag, ganz privat, die Überschreitung von der Zwölfernieder (2.335 m) zum Habicht (3.277 m) zu machen. Die Tour vermittelte uns ein intensives Bergerlebnis und pure Freude. Im Bereich der Stubaier Alpen zählt sie für uns zum Besonderen und wir sind froh, solche Touren in unserer Heimat vorzufinden.
Der Habicht-Elfer-Kamm von Plöven aus gesehen.
Warum beginnen wir mit diesem Bild? Weil es den fast täglichen Blick der Bewohner des Vorderen Stubai zeigt, und mit ihm den Beginn unserer alpinen Reise – der Besteigung des Habicht (3.277 m) über den wenig bekannten Nordgrat. Aus alter Alpinliteratur erfährt man, dass der Habicht bereits 1901 von O. Ampferer und W. Hammer über den Nordgrat bestiegen wurde. Bemerkenswert auch, die erste Winterbegehung von G. Glockengießer 1952. A. Orgler hält sich in seinem Standardwerk „Klettern in den Stubaier Alpen“ kurz und beschreibt die Überschreitung des gesamten Grates vom Zwölfer bis zum Habicht als lange, anspruchsvolle Tour im Grad UIAA IV.
Während der frühmorgendlichen Auffahrt mit den Bikes zur Karalm bleibt Zeit das schöne Pinnistal zu betrachten und einen genaueren Blick auf den oberen Verlauf der Tour zu werfen. Im Dämmerlicht gelangen wir über einen alten Bergpfad zur Zwölfernieder. Das Elfermassiv gibt vorerst noch Schatten und erst einige Höhenmeter über dem Joch tauchen wir ein ins Sonnenlicht das uns fortan begleitet. Es ist ein stabiler Hochsommertag. Keine Gewitter sind zu erwarten, und das ist gut, denn der Habicht ist aufgrund seines mineralhaltigen Gesteins und seiner dominanten Form berüchtigt für starke Blitzentladungen.
Beim Aufstieg von der Karalm zur Zwöfernieder.
Erste Sonnenstrahlen im Aufstieg zum Zwöfer.
Der Normalweg zum Zwölfer ist markiert und wenig schwierig. Im Gipfelbereich gibt's IIer-Stellen im Steilgelände.
Ganz schön weit entfernt. Vom Zwöfer bis zum Habicht sind es ca. acht Kilometer Gratkletterei.
Aufwendig geplant haben wir die Tour nicht, wenngleich sie schon lange auf unserer Wunschliste stand. Im Rucksack sind neben je 30 m Seil ein paar Bandschlingen und Reepschnüre, Karabiner, Gurt und Helm. Weil auf der gesamten Strecke keine Möglichkeit besteht Trinkwasser aufzufüllen, haben wir zu etwas Proviant noch je drei Liter Flüssigkeit dabei. Am Hauptgipfel des Zwölfer (2.566 m) legen wir das Zeugs an, nehmen in der Morgensonne ein zweites Frühstück und begeben uns auf die eindrucksvolle und schöne Route.
Auf den gut acht Kilometern von der Zwöfernieder bis zum Habicht bewegt man sich die meiste Zeit am Grat. Selten ist man gezwungen links oder rechts auszuweichen und im teilweise unangenehmen Steilgelände nach dem besten Weg zu suchen. Wenn, dann wird’s spannend, denn im steilen Berggras wünscht man sich anstelle der Bergschuhe Hufe und das Gestein bildet teilweise nur wenig Einheit mit dem Boden.
Wenn man von der Schafspitze (2.661 m) vorausblickt erscheint der Gipfel des Habicht weit entfernt. Selbst der Manteler (2.811 m) oder das Schaufelspitzl (2.834 m), zwei markante Erhebungen im Gratverlauf, sind vorerst Ziele, die noch auf sich warten lassen. Wir gehen meist seilfrei und wägen an den schwierigeren Passagen ab, ob wir das Seil verwenden. Simultanes Gehen mit Anbringen einiger Köpflschlingen reicht dabei. Einmal seilen wir uns im Bereich des Kelderer (2.694 m) ab. Während wir hier oben klettern wird uns klar, dass dieses Gelände für die meisten Einheimischen völlig unbekannt bleibt. Nur vereinzelt kommen Schafhirten oder Bergsteiger hier hoch. Wir freuen uns über die ungewohnten Perspektiven und Blicke und steigen weiter, vom Gebimmel der Schafe in den Mulden unterhalb begleitet.
Der Übergang vom Zwölfer zur Schafspitze ist leichter als er aussieht.
Bevor wir uns den Gurt anlegen gibt's die Strahlen der Morgensonne und ein Frühstück weit oben.
Am Beginn des Grates klettert man sich in Blockwerk und steilem Wiesengelände gut ein. Die Westseite war bei uns vom Morgentau noch rutschig, an der Ostseite war das Gras bereits trocken.
Die Perspektiven beginnen ungewohnt zu werden.
Unschwieriger Übergang im Bereich des Zwölfer.
Lange hält der markante Gipfelstock des Elfer unseren Blick. Früh morgens wirkt er besonders mystisch.
Die Schafspitze erreicht man direkt über den Grat. Ein Ausweichen in die Hänge seitlich davon ist unnötig und riskant.
Die wenigsten gehen vom Vorgipfel des Zwölfer zum Hauptgipfel. Gute Trittsicherheit ist dafür erforderlich.
Das Duo hinten links verdient es ebenfalls besucht zu werden - die Tribulaune an der Grenze zu Südtirol sind Garanten für schöne Bergtouren und Abenteuer im teils brüchigen Fels.
Eine Wegbeschreibung der Tour bis zum Manteler wäre jetzt mühselig. Man kann zusammenfassend sagen, dass die Strecke ein ideales Einklettern ermöglicht bei dem man seine Gefühle gut abwägen sollte. Die Tour ist lang, und die Hauptschwierigkeiten befinden sich im Bereich zwischen Manteler und dem Grat kurz oberhalb des Schaufelspitzls. Entscheidet man sich für einen Abbruch am Manteler kann man noch ohne größere Schwierigkeiten zur Klamperbergalm absteigen. Die Mischbachscharte zwischen Manteler und Schaufelspitzl ermöglicht ebenfalls gute Ausstiege (beiderseits), jedoch gilt es diese erst einmal zu erreichen.
Vom südlichen Vorgipfel des Manteler seilt man sich am besten dreimal ab (je 30 m). Das Gelände ist hier deutlich steiler. Abklettern ist für Seilschaften unnötig riskant, die Zeitersparnis dabei fraglich. Bereits seit einiger Zeit haben wir den Abschnitt hinauf zum Schaufelspitzl genau im Auge. Er sieht etwas unangenehm aus, plattig und brüchig. Einmal dort, geht die Sache gut auf und wir erreichen ohne größere Schwierigkeiten das nächste Zwischenziel. Gleich hinter dem Schaufelspitzl wird’s exponiert und ernster. Türmchen und Felszacken verlangsamen das Vorwärtskommen und das Ausweichen in die Westseite verlangt Vorsicht. Inzwischen ist das Berggras verschwunden und wir bewegen uns ausschließlich im Fels. Mal fest und begeisternd, mal wackelig und mit grimmigen Charakter. Im steiler werdenden Gratverlauf überklettert man noch zwei Steilstufen (UIAA III-IV), was an dieser Stelle ein schöner Genuss ist. Am Vorgipfel angelangt blicken wir zurück und grinsen. Es ist eine wirklich begeisternde Route, die den Allrounder fordert und einem das Gefühl vermittelt, dem Alltag weit entfernt zu sein.
Erster Abseiler am Weg zum Kelderer. Wir fanden Abseilschlingen vor und begnügten uns mit diesem. Etwas zusätzliches Material zum hängen lassen schadet nicht.
So sieht ein Schafhimmel aus. Im steilen Schrofengelände werden die edelsten Berggräser verputzt.
Einmal angeseilt bewegten wir uns über weite Strecken simultan. Es dauert unwesentlich länger als frei zu klettern und bringt mehr Sicherheit. Ein 30m EInfachseil erwies sich als gute Wahl..
Es ist schön, neben der Bergsteigerei auch anderes im Kopf zu haben. Wir trödelten und hetzten nicht, und konnten die Route so in vollem Umfang genießen.
Einmal links, einmal rechts vorbei. Beim simultanen Gehen am Seil sind Felsköpfe und -zacken willkommene Zwischensicherungen.
Kaum jemand weiß, dass sich zwischen Kelderer und Manteler die Gaißspitze befindet. Auf eben dieser stehen wir hier und betrachten den Übergang zum Manteler. Zum Manteler führt ein reizvoller Normalweg aus der Inneren Klamperberggrube und auch der im Bild sichtbare NW-Grat (UIAA II) ist lohnend.
Bald erreichen wir den Manteler. Es ist sonnig aber nicht heiß, und der Grat ist zur Gänze trocken.
Blick vom Manteler zum Habicht. Direkt und kurz wirkt der Übergang zum Schaufelspitzl. In Wahrheit verbirgt sich ein Großteil des Grates und es geht mehrmals Auf und Ab bevor man den markanten Nordgrat erreicht.
Dreimal (30 m) seilten wir uns im steilen Gelände am Manteler Richtung Mischbachscharte ab.
Wie lange der wohl noch über dem Pinnistal klebt? Der kleine Pinnisferner profitiert vom Schatten eines großen Berges, trotzdem ist sein Ende absehbar. Viele Jahre sind vergangen seit wir mit Ski über ihn abfuhren - eine tolle, steile Abfahrt über die wir ihnen gerne mehr erzählen.
Wir fotografierten nicht mehr viel, wir kletterten lieber. Oben angelangt mussten wir grinsen, denn wir hatten uns viel erhofft und noch viel mehr bekommen.
Nur wenige Meter neben der Normalroute am Vorgipfel des Habicht. Der Blick ins Pinnistal und zurück zum Grat ist nun ein anderer. Schön, diesen Teilbereich am Habicht-Elfer-Kamm nun näher zu kennen.
Der Route gebührend bleiben wir auch auf den letzten Metern noch am Grat. Wor erreichen den Gipfel nachmittags, zu einer Zeit in der viele schon wieder Richtung Innsbrucker Hütte abgestiegen sind. Hinsetzen, Jausnen, in Ruhe genießen.
Letzter Blick zurück über den Oberen Mischbachferner. Es folgt der Abstieg über den Normalweg zur Innsbrucker Hütte.
Wir sind ein Bergführerbüro und haben uns die Frage gestellt, ob man diese Tour in ein Führungsangebot packen sollte. Unsere Antwort ist Nein. Viel schöner ist es, wenn zwei Gleichgesinnte sie in Angriff nehmen, mit Freude am Tun und mit genügend Selbstverantwortung. Darum stellen wir sie hier vor, um Begeisterung zu schaffen und ihren alpinen Stellenwert herauszuheben. Denn sie ist gewiss eine der schönsten Bergtouren im Stubai. Falls Sie Lust bekommen haben die Stubaier Alpen mit uns zu erleben bieten wir Ihnen individuell und mit Passion geplante Privatführungen auf Anfrage.
Tipps und Hinweise zur Tour:
- 30 m Einfachseil + 30 m Abseilleine (Dyneema o.ä.) waren ideal
- Messer und Material zum Austauschen/hängen lassen (Rapidglieder, Seilreste, etc.)
- Besser vier Liter Flüssigkeit als drei mitnehmen
- Gutes Wetter abwarten und früh genug starten (wir taten das um 4.15 Uhr an der Zeggerbrücke)
- Der Burger auf der Innsbrucker Hütte im Anschluss an die Tour ist fantastisch!
ZEIT FÜR DRAUSSEN kooperiert mit dem Konzern AMER SPORTS und verwendet Ausrüstung von ARC'TERYX, SALOMON und SUUNTO.
Text und Bilder: Matthias Knaus